Frühwarnsystem für Pandemien
Internationale Forscher*innengruppe entwickelt Strategien gegen die Virenübertragung von Wildtieren auf Menschen
Frankfurt, 10.07.2020. Selten hat ein Virus unsere Gesellschaft und Wirtschaft so beeinflusst wie das SARS-CoV-2-Virus, Auslöser der derzeitigen COVID-19-Pandemie. Übertragen wurde es von Tieren auf Menschen – wie bereits bei den ebenfalls durch Coronaviren ausgelösten Infektionswellen von SARS (Severe acute respiratory syndrome) und MERS (Middle East respiratory syndrome). Der Ursprungsort der neuen Pandemie wird beim chinesischen Huanan Seafood and Wildlife Market in Wuhan vermutet.
In einem heute veröffentlichten Kommentar in der Fachzeitschrift „Science“ diskutieren Wissenschaftler*innen der internationalen „Wildlife Disease Surveillance Focus Group“ Möglichkeiten, die Virenübertragung von Tieren auf Menschen – sogenannte Zoonosen – künftig besser eindämmen zu können. Die Gruppe, der Forscher*innen aus Tiermedizin, Virologie, Biologie und Wildtierforensik angehören, entwickelt Strategien zur besseren Überprüfung von Wildtieren und Märkten, um einen detaillierteren Überblick über zoonotische Krankheitserreger zu erhalten.
Ein wichtiger Aspekt ist laut der Autor*innen ein umfassendes Monitoring, also eine flächendeckende Beobachtung und Datenerfassung an Orten wie Wildtiermärkten. Dafür ließen sich neue, kostengünstige und mobile Technologien der Genomanalyse nutzen. Ein solches Monitoring könne dann zum einen als Frühwarnsystem dienen, um zukünftige Ausbrüche besser detektieren zu können. Zum anderen ermögliche es auch einen besseren Einblick in die Virenübertragung und die Rolle von Wildtieren und Wildtiermärkten. Im Gegensatz zu groß angelegten internationalen Projekten biete ein dezentralisiertes Monitoring den Vorteil, aktuelle regionale Daten zu erfassen und damit lokale Forschende, Nichtregierungsorganisationen und Behörden in ihrer Arbeit zu unterstützen. Um effektiv handeln zu können, sei es allerdings wichtig, die generierten Daten darüber hinaus zentral zu speichern und auszuwerten.
Zudem schlagen die Wissenschaftler*innen vor, internationalen und nationalen Handel stärker auf Krankheitserreger zu untersuchen und darauf basierend Handelsbeschränkungen oder Verbote für Tiere mit einem erhöhten zoonotischen Risiko einzuführen.
Einer der Autoren des Kommentars ist Dr. Stefan Prost, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und LOEWEZentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik. „Wildtiermärkte zu schließen, wie es oft in den Medien vorgeschlagen wird, ist keine realistische Lösung. Viel wichtiger ist es, diese Märkte stärker zu beobachten, um zu dokumentieren, welche Wildtiere dort verkauft werden und welche Krankheitserreger diese in sich tragen. Mit diesen Informationen können dann Maßnahmen ergriffen werden, die die Chancen von zukünftigen Zoonosen hoffentlich minimieren“, so Prost.
Ihre Vorschläge für Maßnahmen wollen die Wissenschaftler*innen in den kommenden Wochen mit Verantwortlichen aus Politik und internationalen Gremien diskutieren. Zudem werden sie versuchen, die Strategien in der nächsten Zeit in verschiedenen Ländern zu testen. Wichtig sei es dann vor allem, die erworbenen Kenntnisse auch für Präventionsmaßnahmen einzusetzen, so die Autor*innen.
Kommentar in Science:
Mrinalini Watsa and Wildlife Disease Surveillance Focus Group:
„Rigorous wildlife disease surveillance. A decentralized model could address global health risks associated with wildlife exploitation”
https://doi.org/10.1126/science.abc0017