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Am Meeresboden der Antarktis
Das marine Ökosystem am Meeresboden ist durch Klimawandel und menschliche Einflüsse bedroht
Frankfurt, 12.08.2021. Senckenberg-Wissenschaftlerinnen Angelika Brandt und Hanieh Saeedi haben gemeinsam mit internationalen Kolleg*innen die wahrscheinlichen Reaktionen des antarktischen Meeresbodens auf Klimawandel, Fischereidruck und andere anthropogene Einflüsse beschrieben. Die Ergebnisse der kürzlich im Fachjournal „Frontiers in Marine Science“ veröffentlichten Studie decken sich mit denen von Senckenberger Davide di Franco zu den Auswirkungen variierender Meereseisbedeckung und -konzentration auf Krebsgemeinschaften im Südpolarmeer. Die Autor*innen erörtern Strategien, um das Ökosystem am Meeresboden langfristig zu schützen.
Der Meeresboden (Benthal) der Antarktis ist ein hochdiverses und dynamisches Ökosystem. Die marinen Benthosgemeinschaften leben dort seit Millionen von Jahren unter vergleichsweise konstanten, polaren Bedingungen. Im Laufe von vielen Millionen Jahren Evolution haben sie sich speziell an diesen Lebensraum im Südpolarmeer angepasst: Einige barschartige Antarktisfische (Notothenioidea) besitzen beispielsweise „Frostschutzmittel“ in ihrem Gewebe, das ihren Gefrierpunkt senkt; andere wirbellose Arten wiederum entwickelten einen sogenannten polaren Gigantismus, bei dem die niedrigen Stoffwechselraten und die leicht erhöhte Sauerstoffkonzentration im kalten Wasser dazu geführt hat, dass sie größer und langlebiger wurden als verwandte Arten aus wärmeren, nördlicheren Lebensräumen. Viele dieser Arten am Meeresgrund reagieren aufgrund ihrer sehr spezifischen Anpassung an das Südpolarmeer empfindlich auf kleinste Veränderungen ihrer Lebensumwelt.
Steigenden Ozeantemperaturen, Ozeanversauerung, Verlust von Meereis, kommerzielle Fischerei, Tourismus und Plastikverschmutzung bedrohen zunehmend auch den benthischen Lebensraum. „Die Ökosysteme am Meeresboden des Südlichen Ozeans reagieren immer komplexer und oft auf unvorhersehbarer Weise auf Klimaeinflüsse“, erklärt Prof. Dr. Angelika Brandt vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum in Frankfurt. Ihre Kollegin Dr. Hanieh Saeedi fährt fort: „Es ist daher schwierig, die Auswirkung von Veränderungen auf die ansässigen Arten zu beurteilen, weil es in der Antarktis zahlreiche regionale Unterschiede gibt“. Das komplexe Zusammenspiel verschiedener Stressoren erschwert somit einfache Prognosen für die Zukunft. Die Forscher*innen konnten dennoch in der aktuellen Studie zeigen, welche Konsequenzen Umweltveränderungen in Bezug auf Tiefe, Nahrungsverfügbarkeit, Temperatur, Salzgehalt, Sauerstoffverfügbarkeit oder Meereisbedeckung haben können.
Als gesichert gilt, dass der Klimawandel die fragile Zusammensetzung der Ökosysteme und die Überlebensraten der Arten am Meeresboden schneller als erwartet verändern wird. Diese Aussage wird durch die aktuelle Studie von Senckenberger Davide Di Franco untermauert, der kürzlich eine positive Korrelation des Einfluss des Meereises auf benthische Peracariden- Gemeinschaften – brutpflegende Krebse mit direkter Entwicklung – feststellen konnte. Unterschiedliche Meereseisbedeckungen haben einen starken Einfluss auf die Struktur und die Häufigkeit dieser Krebsgemeinschaften aus dem Südlichen Ozean. Die positive Korrelation zwischen dem Meereseis und der Abundanz von Peracariden ist wahrscheinlich auf die durch die saisonale Meereseisschmelze ausgelöste Phytoplanktonblüte zurückzuführen, welche das Nahrungsangebot für das Benthos erhöhen könnte. Der Rückgang oder das völlige Verschwinden des Meereises aufgrund des Klimawandels würde die benthischen Peracariden-Gemeinschaften stark bedrohen – mit negativen Folgen für das gesamte benthische Ökosystem.
Politische Entscheidungsträger*innen haben bisher nur langsam auf die Auswirkungen des Klimawandels auf die Ökosysteme des Südlichen Ozeans reagiert – trotz der Dringlichkeit. „Es sind große internationale Anstrengungen nötig, um beispielsweise eine Reduzierung von kommerzieller Fischerei, Plastikmüll und andere anthropogene Störungen durchzusetzen. Generell gesprochen brauchen wir internationale Richtlinien, die benthischen Ökosysteme Schützen und der Fauna helfen sich allmählich an veränderte Bedingungen anzupassen“, appelliert Brandt.