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Entlastet: Amerikanische Pantoffelschnecke
Invasive Gastropodenart ist nicht für das Aussterben der Europäischen Auster in der Nordsee verantwortlich
Senckenberg-Forschende haben mit einem deutschen Team das Vorkommen der Europäischen Auster und der invasiven Amerikanischen Pantoffelschnecke in der Nordsee über einen Zeitraum von 200 Jahren untersucht. Grundlage für die Studie waren mehrere wissenschaftliche Sammlungen aus den Niederlanden, Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Die Wissenschaftler*innen kommen zu dem Schluss, dass die eingewanderte Schnecke zu Unrecht für das Aussterben der heimischen Auster verantwortlich gemacht wurde. Die Studie erschien kürzlich im Fachjournal „PLoS ONE“.
Auf der Roten Liste Deutschlands ist die Europäische Auster (Ostrea edulis) als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft – seit den 1940er Jahren galt sie im deutschen Teil der Nordsee als ausgestorben, aktuell ist sie wieder in sehr kleinen Populationen zu finden.
„Vor etwa 200 Jahren war die Austernfischerei in der Nordsee noch ein florierendes Geschäft“, erklärt Dr. Dieter Fiege vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt und fährt fort: „In den darauffolgenden Jahren nahmen die Bestände von Ostrea edulis aber kontinuierlich ab. Als Grund für den starken Rückgang der Austern wurde, neben der starken Befischung, den kalten Wintern oder Krankheiten, auch das Auftreten der invasiven Pantoffelschnecke Crepidula fornicata vermutet“.
Diese Gastropoden-Art ist ursprünglich an den Küsten der USA, Mexikos und Kanadas beheimatet und wurde 1870 zusammen mit Austern, die für Kulturzwecke bestimmt waren, eingeschleppt. Heute ist sie von Südnorwegen bis nach Spanien zu finden. In Deutschland ist sie seit 1934 nachgewiesen. Die sich schnell ausbreitende Pantoffelschnecke galt lange Zeit – ohne wissenschaftlichen Beleg – als ein starker Nahrungskonkurrent der Austern, da sie sich ebenfalls als Filtrierer ernährt.
Fiege hat mit einem deutschen Team die Zusammenhänge zwischen dem Auftreten der Amerikanischen Pantoffelschnecke und der Europäischen Auster im Nordseegebiet untersucht. Hierfür werteten die Forschenden insgesamt 1750 Austern- sowie 739 Pantoffelschnecken-Individuen aus verschiedenen europäischen Sammlungen aus, die zwischen 1820 und 2018 gesammelt wurden.
Die Forschenden zeigen anhand dieser historischen Belegobjekte, dass der massive Einbruch der Austern-Populationen bereits vor der Ausbreitung der eingeführten Pantoffelschnecke stattfand. „Die Schnecke wurde demnach zu Unrecht verdächtigt am Rückgang der Austern in der Nordsee verantwortlich zu sein“, erläutert Fiege und ergänzt: „Warum die Europäische Auster sich trotz guter Rahmenbedingungen nicht mehr flächendeckend in der Nordsee ansiedelte, bleibt aber bislang ungeklärt.“
Prof. Dr. Angelika Brandt, Senckenberg-Abteilungsleiterin Marine Zoologie schließt: „Unsere Studie zeigt erneut, dass naturwissenschaftliche Sammlungen sowohl für die Biodiversitätsforschung, als auch für angewandte Umweltforschung von grundlegender Bedeutung sind! Es sind archivierte Belege anhand denen sich die Lebensbedingungen und ihre Veränderungen im Laufe der Zeit dokumentieren lassen. Sie bilden damit nicht zuletzt die Grundlage für die Beantwortung heutiger wissenschaftlicher Fragen.“
Publikation
Hayer S, Bick A, Brandt A, Ewers-Saucedo C, Fiege D, Fu¨ting S, et al. (2019) Coming and going – Historical distributions of the European oyster Ostrea edulis Linnaeus, 1758 and the
introduced slipper limpet Crepidula
fornicata Linnaeus, 1758 in the North Sea. PLoS ONE 14(10): e0224249. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0224249