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Messel-Fliege: Zum letzten Mahl

Die Henkersmahlzeit der neu entdeckten, fossilen Fliege bestand aus Blütenstaub


Senckenberg-Wissenschaftlerin Sonja Wedmann hat gemeinsam mit einem internationalen Team eine bislang unbekannte Fliegenart aus dem UNESCO Weltnaturerbe Grube Messel entdeckt. Im Hinterleib des etwa 47 Millionen Jahre alten Insekts konnten die Forschenden Pollen von verschiedenen Pflanzen nachweisen. Sie geben Hinweise auf das Freßverhalten, die Ökologie und die Rolle als Bestäuber der Fliege in der Vergangenheit. Die Studie erscheint heute im Fachjournal „Current Biology“.

Bienen, Hummeln und Schmetterlinge sind allgemein bekannte Bestäuber für Blütenpflanzen und ernähren sich zum Teil auch von Blütenstaub. „Dass auch Fliegen hier eine wichtige Rolle spielen, bleibt dagegen oft unbeachtet“, erklärt

Dr. Sonja Wedmann vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt und fährt fort: „Unsere neuesten Forschungsergebnisse zeigen, dass die Zweiflügler sich schon vor rund 50 Millionen Jahren von Blütenstaub ernährten!“

Wedmann hat gemeinsam mit einem Team aus den USA, Österreich und Deutschland eine neue Fliegenart aus dem UNESCO Weltnaturerbe Grube Messel beschrieben. Die Neuentdeckung aus der Gattung Hirmoneura hat eine Körperlänge von elf Millimetern und ist 47,5 Millionen Jahre alt.  „Die eigentliche Besonderheit ist aber, dass wir im Hinterleib des, zur Familie der Nemestrinidae gehörenden, Insekts zahlreiche Blütenpollen – und damit sozusagen die ‚Henkersmahlzeit’ der Fliege – gefunden haben“, ergänzt die Frankfurter Messelforscherin. Es ist der erste Hinweis, dass sich Fliegen dieser Familie in der Vergangenheit von Pollen ernährten – und es möglicherweise bis heute tun.

Das Team konnte mittels neuesten palynologischen Methoden die Pollen von Pflanzen aus den Familien der Sapoten- (Sapotaceae) und Ölbaumgewächsen (Oleaceae), sowie aus den heutigen Gattungen der Wasserweideriche (Decodon) und Jungfernreben (Parthenocissus) identifizieren. Mit Hilfe von Photogrammetrie gelang es, die Pollenmasse im Hinterleib des Tieres als dreidimensionale Aufwölbung sichtbar zu machen.

„Solche fossilen Nahrungsreste sind weltweit extrem selten. Sie geben uns Hinweise auf die Lebensweise, auf das Freßverhalten der Tiere, sowie auf die Umweltbedingungen, in welchen die Insekten damals gelebt haben“, erläutert Wedmann.

Obwohl die fossile Messel-Flora von Elementen (sub-)tropischer Wälder geprägt ist, deutet der Mageninhalt der neuentdeckten Fliege darauf hin, dass sie ihre Nahrung nicht in einem dichten, geschlossenen Wald fand. Mit über 50 Prozent machten Pollen der Jungfernreben (Parthenocissus) den Haupanteil des gefressenen Blütenstaubs aus, dicht gefolgt von Pollen des Wasserweiderichs Decodon. Letztere ist eine krautige, in der Regel einen halben bis zwei Meter hohe Pflanze, die in seichten Gewässern und an deren Rändern wächst. Die hohe Anzahl der Parthenocissus-Pollen unterstützt die Rekonstruktion, dass die Fliege sich von Pflanzen ernährte, die am Waldrand und entlang des Messel-Sees wuchsen. Wedmann fügt hinzu: „Die Fliegen haben sicherlich auf Langstreckenflüge zwischen ihren Futterpflanzen verzichtet, um Energie zu sparen. Wir gehen daher davon aus, dass die zu den Pollen gehörigen Pflanzen auf einem relativ kleinen Gebiet zu finden waren.“

In ihrer Studie heben die Autor*innen die Bedeutung von Fliegen als Pflanzen-Bestäuber vor 47 Millionen Jahren hervor. „Wir gehen davon aus, dass sie eine wichtige Rolle beim Transport der Pollen und so für die Fortpflanzung mehrerer Pflanzenfamilien spielten – möglicherweise waren und sind Fliegen für die Bestäubung tropischer Pflanzen sogar wichtiger als Bienen“, schließt Wedmann.

Publikation:
Wedmann et al., The last meal of an Eocene pollen-feeding fly, Current Biology (2021), https://doi.org/10.1016/j.cub.2021.02.025

Pressematerial

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Neuentdeckung aus Messel: Die Fliege Hirmoneura messelense. Foto: Senckenberg

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Im Körper der fossilen Fliege befinden sich Massen von Pollen (Aufwölbung rechts im 3D-Relief rot sichtbar gemacht, links gelb die Probenahmestellen). Foto: Senckenberg